VANDERSEE LEON [? -1907]
Santa Maria
In tiefem Schweigen liegt das Gotteshaus – durch bunte Scheiben flimmern Sonnenlichter und auf dem Altar die geweihten Kerzen . . . ich seh es gern, wenn windbewegt die Flamme ein Engelsantlitz heimlich überstrahlt. Maria, deine frommen Augen leuchten so seltsam durch die kühle Dämmerung – blonde Maria, hast du eine Seele? Hör mich: ich schritt durch ödes Steppenland, durch dunkler Gärten schwülen Rosentraum, durch Eis und Schnee an Nordlands blauen Fjorden – ich sah die Sterne in Hamada funkeln und lauscht am Meer dem Lied der Ghawazee. Es war ein freudlos Lied. Oft neigt ich meine Stirn in schlanke Hände und küsste manchen fieberheißen Mund – ich küsste – küsste – aber meine Seele fror immer – bis einst voll Erbarmen ein edelfremdes Haupt sich zu mir niederbog, ein blondes Haupt, das ich geliebt, Maria, und das des Lebens Welle mir entriss! Die hohen, gelben Altarkerzen flackern so unruhvoll – und deine Augen leuchten so seltsam durch die kühle Dämmerung – Santa Maria, hast du eine Seele? . .
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