JACOBI JOHANN GEORG [1740-1814]
Das Marienbild
Da wo die Tausend-schönchen blühn, Das Wiesenbächlein quillt, Da steht an einer Linde grün Ein schön Marienbild.
Am Bilde, stattlich anzusehn, Ein Kranz von Rosen hängt, Und noch ein Kränzchen wunderschön Mit Rosmarin vermengt.
Wer bracht; in seinem frommen Sinn Die Kränze so vereint? Das tat wohl eine Schäferin Mit ihrem trauten Freund.
Das Mädchen da die Schaafe trieb. Am Bächlein auf und ab, Vorbei dem Bild, und hatt' es lieb. Und manchen Blick ihm gab;
Und kniete vor dem Strahlenschein: »Gib meiner Seele Ruh! Laß mich in Demut heilig sein, Holdseligste, wie du!«
Sein Herze wurd' ihm leicht und froh; Der Blumen allgenug Es wachend und in Träumen so Zur grünen Linde trug.
Und als die Linde golden schien Im frühen Sonnenglanz: »Wer hieng den frischen Rosmarin Um meiner Blumenkranz?«
Da kniet' es nieder in den Tau, Ward irrig im Gebet; Ein Tränchen war im Auge blau, Bis an den Abend spät.
Das Mädchen nun die Schaafe trieb Am Bächlein auf und ab; Und hatte noch was anders lieb, Und Seufzer oft ihm gab.
Da kniet' es in den Abendtau; Es hatte keine Ruh; Da schloß es nicht sein Auge blau Bis an der Morgen zu.
Doch als die Linde golden schien, Da faß im Sonnenglanz Ein junger Hirt auf seinen Knien Vor einem frischen Kranz.
Das Mädchen auf die Erde sah; Gieng auf die Wiese schnell; Der Hirte war ihm plötzlich nah Wohl an dem Bächlein hell.
»O Mädchen! wenn die Jungfrau dich Vom Himmel hören soll, O Mädchen! Mädchen! höre mich. Bin treuer Liebe voll.«
O flieh, entfliehe! Nimmermehr, Du junger Hirte! Nein! Betrüben würd' ich allzusehr Den heil'gen Engel mein.
»Dein Engel hat mich hergeführt, Die Wiese mir gezeigt, Dein Engel hat mein Herz gerührt, Und dich zu mir geneigt.«
Das Mädchen, wie die Rose rot, Der Hirte bleich und blaß: Will sein getreu bis in den Tod: Und beider Wangen naß.
Da bringt in ihrem frommen Sinn Die Kränze si vereint Alltäglich noch die Schäferin Mit ihrem trauten Freund.
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